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CALL TO ACTION 

Architektonische Handlungsräume für soziale Gerechtigkeit 

Sehr geehrter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier,

sehr geehrte Bundesbauministerin Klara Geywitz, 

 

„Räume sind als Ergebnis sozialen Handelns zu verstehen.“  

Diese Möglichkeit des Handelns wird jedoch nicht allen Menschen gleichermaßen zuteil und so manifestiert sich Ungleichheit in der Gesellschaft räumlich. Die notwendige Beachtung von Sozialstrukturen für ein gemeinschaftliches Zusammenleben ist jedoch grundlegend, um Innen:Architektur und Stadt jenseits formaler Fragen zu diskutieren. Denn in der baulichen Umwelt verfestigen sich gesellschaftliche Verhältnisse, welche dringend revidiert werden müssen.

Die zunehmende gesellschaftliche Spaltung, angefeuert von Klassismus und wachsender Fremdenfeindlichkeit, greift demokratische Strukturen und Werte an. Es gilt dringend, das Beziehungsverhältnis zwischen gesellschaftlichen Prozessen und gebauter Umwelt zu verstehen und Brücken zu bauen. An diesem Zusammenspiel beteiligen können wir Raumschaffenden uns jedoch nur im Rahmen des gesetzlichen Spielraums. 

Die sinkende Anzahl an neu gebauten Sozialwohnungen und die steigende Zahl an Sozialwohnungen, die aus der geförderten Laufzeit rausfallen, führen zu einer doppelten Verschärfung der Wohnungsnot.  Diese Nichtdeckung des Bedarfs vergrößert die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft.  

Der Zugang zu Aneignung und Selbstwirksamkeit im Wohnen wird primär über Reichtum organisiert und verhärtet soziale Ungleichheit räumlich.  Ein solcher Zugang ist allerdings eine Voraussetzung für das Erfahren der eigenen Selbstwirksamkeit. Die Chance darauf wird jedoch nicht jedem Menschen gleichermaßen zuteil. Dissoziale Architektur findet sich in sozialen Wohnungsbauten und in prekären Wohnsituationen, nicht in vergleichsweise selbstbestimmten Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen. Immobilienbesitzende haben somit bessere Möglichkeiten der Raumkonstitution. Dieses Ungleichgewicht prägt langfristig

 die Lebenschancen von Generationen.  Der derzeitige soziale Wohnungsbau ermöglicht keine Chancengerechtigkeit. Stattdessen manifestieren die räumlichen Strukturen eine klassistische Sozialstruktur.

Die Menschenrechtskommission des Europarats, dessen Werte der Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sind, kritisierte unlängst die soziale Benachteiligung marginalisierter Gruppen in Deutschland, die in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes stände. Konkret aufgeführt wurden die Wohnungsnot, zunehmende Obdach- und Wohnungslosigkeit und das fehlende Menschenrecht auf Wohnen in Deutschland.  Der parlamentarische Rat verzichtete auf die Aufnahme sozialer Grundrechte, so auch auf ein Recht auf Wohnen. Durch diese nicht vorhandene legislative Konkretisierung, wird eine individuelle Einklagbarkeit auf Bundesebene unmöglich gemacht. Dabei wäre insbesondere das Recht auf Wohnen eine Chance für eine sozial ausgerichtete klimagerechte Bauwende, in der es langfristige Visionen bedarf. 

Wir fordern die Umsetzung folgender Maßnahmen: 

 

  • Verankerung des Rechts auf Wohnen auf Bundesebene

  • Housing-First als Norm statt stufenweiser Reintegration für wohnungs- und obdachlose Menschen

  • Anstoß zur Erneuerung des Wettbewerbsrechts 

  • Umverteilung der Förderung von Wohneigentum zu gemeinwohlorientiertem Wohnen  

  • Aufnahme von Phase 0: Partizipation und Phase 10: Evaluation in HOAI         

 

Es bedarf politischen Mutes die Planungsdisziplinen in sozialen Fragen vermehrt miteinzubeziehen. Frau Bundesministerin Geywitz, Herr Bundespräsident Steinmeier, nehmen Sie Ihre Verantwortung an und treten Sie für eine zukunftsgerichtete soziale Planungspraxis an.

Durch einen neuen Handlungsspielraum für Planende, können Lebenswelten für neue gesellschaftliche Anforderungen und soziale Gerechtigkeit geschaffen werden. 

 

CALL TO ACTION ist ein Element der komplexen gesellschaftlichen Aufgabe, die in der Agenda 2030 - Ziele für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und durch die Menschenrechtskommission des Europarats formuliert ist.

1  Sezgin Sönmez, Dissozialer Wohnungsbau (2024) URL: https://cdn2.me-qr.com/pdf/20204666.pdf (Letzter Abruf 15.04.2024, 10.56 Uhr) S.35

2  Bestand der Sozialmietwohnungen in Deutschland in den Jahren von 2006 bis 2022, Statista, URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/892789/umfrage/sozialwohnungen-in -deutschland/ (Letzter Abruf 15.04.2024, 10.50 Uhr)

3  Löw, M. Soziale Konstruktion des Raumes, (2001) Suhrkamp, S.213 

4  Kreckel, R. Soziologisches Denken. Eine kritische Einführung Opladen (1976) S.211 

5  Pressemeldung Menschenrechtskommission Europarat, 19.03.2024, URL: https://www.coe.int/de/web/portal/-/germany-follow-through-with-human-rights-commitments-and-improve-access-to-social-rights (Letzter Abruf 15.04.2024, 10.46 Uhr) 

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UNTERSTÜTZENDE      

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